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Zurück auf Los!

Hinter Richard Heusler liegt das bisher härteste Jahr seines Lebens. Und es war nicht Covid-19.

Richard Heusler (Name geändert) fühlte sich immer gesund. Er war Anfang 40, als merkwürdige Schmerzen im Handgelenk auftraten. Nach einem Jahr aufwendiger Diagnostik kannte er endlich die Ursache. Er leidet an einer extrem seltenen Autoimmunerkrankung: Kristallglobulinämie.

Zunächst begann alles ganz harmlos ...

12xHäufigkeit

wurde die Erkrankung bisher weltweit diagnostiziert.

Seine Krankheit ist erst seit einigen Jahren bekannt und es wurde nur über wenige Betroffene weltweit berichtet. Spülen, Staubsaugen, Schreiben, das alles tat Richard Heusler weh. Ab Frühling 2019 konnte er nichts Schweres mehr heben. Die Hausärztin tippte auf eine Entzündung, verschrieb eine Bandage und Medikamente, die aber kaum anschlugen. 

?Dunkelziffer

Die Häufigkeit ist unbekannt. Die Dunkelziffer könnte eventuell sogar ein wenig höher liegen.

... dann verschlechterte sich sein Zustand.

Seine Fingergrundgelenke schwollen an. Heusler ging zum Rheumatologen. Diagnose: rheumatoide Arthritis, eine chronische Autoimmunerkrankung. Heusler lernte, sich jede Woche eine Spritze mit Methotrexat zu geben, einem Medikament, das sein Immunsystem herunterregelte, dazu nahm er Schmerzmittel. Ein paar Wochen später entdeckte er rote Punkte an den Füßen. Inzwischen hatte er steife Finger. 

Hose anziehen, Knopf schließen, das alles tat ihm weh. Der Rheumatologe diagnostizierte eine Gefäßentzündung. Die Nierenwerte waren so schlecht, dass sein Blut täglich untersucht wurde. Dem Rheumatologen erging es ähnlich wie zuvor der Hausärztin: All das kam ihm sehr untypisch vor. Er überwies ihn zu seinem Kollegen Prof. Clemens Cohen, Nierenspezialist und Chefarzt in der München Klinik Harlaching.

„Es hätte wahrscheinlich keinen bescheideneren Zeitpunkt für den Beginn der Krankheit geben können als diesen. Denn
im Juli kam meine Tochter zur Welt.“
erzählt Richard Heusler

Zunächst tappte man im Dunkeln

Clemens Cohen behielt ihn gleich auf der nephrologischen Station. Erst einmal musste er die Entzündung seines Patienten in den Griff bekommen. Über einen Venenzugang bekam Richard Heusler Cortison. Wenige Tage später verschwanden immerhin die Gelenkschmerzen. 

Die Nierenwerte aber wurden so schlecht, dass Heusler drei Mal die Woche an die Dialysemaschine musste – ein weiterer Tiefpunkt für ihn. Klar war nur, woran er nicht erkrankt war, nämlich an rheumatoider Arthritis. Doch was es stattdessen war, wusste noch niemand.

„„Als ich an die Dialyse musste wurde ich wirklich nervös. Ich fragte mich: Ist das lebensverkürzend?““
erinnert sich Heusler

Endlich Licht im Dunkeln

Eines Vormittags, Heusler bekam gerade seine Dialyse, stürmte Prof. Cohen ins Zimmer, wedelte mit dem Ausdruck einer wissenschaftlichen Studie und strahlte über beide Ohren: 

„Wir wissen jetzt, was Sie haben!“
freute sich Chefarzt Prof. Clemens Cohen

Es gebe da eine relativ seltene Krankheit namens Kryoglobulinämie. Und davon eine noch viel seltenere Untererkrankung namens Kristallglobulinämie.

Wie Diamanten im Körper

Bei der Untersuchung des Nierengewebes im Elektronenmikroskop, zeigte sich ein sehr ungewöhnliches Bild: Blutgefäße wirkten wie von innen mit Kristallen ausgegossen.

„Sie liegen wie Diamanten darin. Manche ähneln Eisschollen, die in einem Fluss treiben. Jedenfalls sieht es sehr ästhetisch aus.“
erklärt Prof. Clemens Cohen

Zum Glück ist die Herkunft der Kristalle bekannt: Zellen im Knochenmark lassen Eiweiße entstehen, die ins Blut schwimmen, sich schließlich als Kristalle in den Nieren ablagern und dort dafür sorgen, dass diese kaum mehr funktionieren. 

„In der Literatur finden sich nur Einzelfälle, ein gutes Dutzend weltweit.“
schätzt Prof. Clemens Cohen
Das Problem

Entartete Zellen in seinem Knochenmark produzierten Eiweiße, die sich, über das Blut kommend, als Kristalle in den Nieren ablagerten. Teile des Immunsystems hatten sich damit gegen den eigenen Körper gewandt.

Die Lösung

Die Stammzellen werden in der Hämatologie in Schwabing seinem Knochenmark entnommen, untersucht, aufbereitet und eingefroren. In der Zwischenzeit zerstört eine Chemotherapie die fehlerhaften Zellen. Anschließend werden ihm die zuvor entnommenen Stammzellen implantiert, um das Immunsystem wieder aufzubauen.

"Nirgends besser aufgehoben als hier."

In diesem Fall lief es sehr günstig für den Patienten. Die Hausärztin hat sich schnell an den Rheumatologen gewandt und dieser sich schnell an die München Klinik, sodass relativ früh eine Diagnose feststand. Etwa ein Jahr war seit dem ersten Arztbesuch vergangen. 

„Sein Nierenversagen war schon sehr schwer. Ich hab gehofft, dass er sich wieder erholt, aber optimistisch war ich nicht.“
erzählt Prof. Clemens Cohen

Glücklicherweise gibt es in der München Klinik in Harlaching und Schwabing alles, was Richard Heusler brauchte. Und das war eine ganze Menge: Nephrologie, Hämatoonkologie, Chirurgie. Für Heusler fast genauso wichtig wie die korrekte Diagnose war die Aussicht, dass damit eine Behandlungsstrategie gefunden war.

„Ich glaube, ich wäre nirgendwo anders so gut diagnostiziert und behandelt worden.“
ist sich Richard Heusler sicher

"Ich konnte noch nicht mal mehr meine Frau unterstützen"

Mit Chemie in seinem Körper haderte Heusler nicht. Er arbeitet in einem Pharmaunternehmen. „Ich weiß, dass Medikamente, die dort entwickelt und produziert werden, viele Krankheiten heilen oder wenigstens behandeln können.“

Schwer fiel ihm, dass er seine Arbeit unterbrechen musste. Auch wenn sein Vorgesetzter und seine Kollegen verständnisvoll waren, hatte er ein schlechtes Gewissen: „Man will ja niemandem zur Last fallen.“

Anna Heusler kümmerte sich währenddessen um das Neugeborene und den Haushalt. Und musste mit der Ungewissheit zurechtkommen.

„Manchmal hab ich mich gefühlt wie eine alleinerziehende Mutter.“
erinnert sich Anna Heusler

Wickeln, füttern, einkaufen, putzen – auch unter normalen Umständen ist man mit einem Baby schon ziemlich gut ausgelastet.

Isoliert und allein

Im März 2020 begann eine ambulante Chemotherapie in Harlaching. Dienstags, donnerstags und samstags musste Heusler zur Dialyse, ansonsten aber ging es ihm schnell besser. Schon Ende des Monats konnte er – corona- und krankheitsbedingt im Homeoffice – weitgehend normal arbeiten. Aber nur vorläufig. Im Juni entnahmen ihm die Spezialisten im Schwabinger Krankenhaus Stammzellen, parallel zu einer weiteren Runde Chemotherapie.

4Chemotherapien

mussten bei Richard Heusler durchgeführt werden.

Richard Heusler, der sonst so flüssig und lebendig erzählt, gerät ins Stocken, wenn er von diesen Monaten berichtet. Streng isoliert lag er in einem Einzelzimmer, weil sein Immunsystem so weit heruntergefahren war, dass jede Infektion verheerende Folgen haben konnte. Dazu kamen die strengen Corona Regeln. Die Ärztinnen, Ärzte und Krankenpflegekräfte mussten sich extra umziehen, bevor sie sein Zimmer betraten. Besuche waren unmöglich. 

"Mir ging es so dreckig wie nie zuvor in meinem Leben."

Es waren einsame Tage, Tage, an denen er sich verloren fühlte. Er konnte lesen, fernsehen, chatten, aber oft fühlte er sich zu schlapp dafür. Die Ärzte sagten, dass er die Chemo gut vertrage. „Das kam mir aber nicht so vor.“ Er erlebte Schwindel, Durchfall, Erbrechen und hatte Kreislaufprobleme.

„Ich ging durch ein Tal. Ich war nicht mehr Herr über meinen Körper. Mir ging es so dreckig wie nie zuvor in meinem Leben.“
erzählt Richard Heusler

"Hätte ich ihn einfach mal in den Arm nehmen sollen?"

Von März bis Dezember 2020 war er etwa gleich lang im Krankenhaus wie zu Hause. Anna Heusler dachte vor der Erkrankung ihres Mannes, das ein oder andere über Onkologie zu wissen, denn auch sie arbeitet in einem Pharmaunternehmen.

„Aber man weiß erst so richtig, wovon man redet, wenn man es selbst miterlebt hat. Im Nachhinein hab ich mich gefragt, ob ich meinem Mann nicht mehr Zeit hätte geben sollen, um über alles zu reden, was in ihm vorging. Oder ob ich ihn einfach nur in den Arm hätte nehmen sollen.“
fragt sich Anna Heusler im Nachhinein

Doch sie war vollauf damit beschäftigt, für sich, die Tochter und ihren Mann so etwas wie Normalität aufrechtzuerhalten. Ihrem Mann scheint genau das die größte Hilfe gewesen zu sein, denn er wusste:

„Frau und Kind geht’s gut, ich kann mich auf mich konzentrieren.“
erzählt Richard Heusler

Endlich nach Hause mit dem schönsten Willkomensgruß

All die Monate hatte Richard Heusler vor allem über das Internet Kontakt zu seinem Baby. Als seine Frau ihn mit dem Auto schließlich vom Krankenhaus abholte, schlief die Tochter.

Als die drei zu Hause ankamen, wachte sie auf, besann sich kurz, guckte zu ihrem Vater auf die Rückbank und lachte breit.

„Für mich der schönste Willkommensgruß.“
erinnert sich Richard Heusler

Es geht wieder aufwärts

Als die Nierenwerte sich endlich verbesserten, musste er seltener zur Dialyse. Nachdem sie drei Wochen lang stabil waren, entschieden die Ärzte, ihm den zentralen Venenkatheter zu entfernen.

„Da war ich ganz überrumpelt. Was, wenn die Nieren wieder streiken?“
fragte sich Richard Heusler

Tun sie nicht. Die letzte Dialyse liegt lange zurück.

Mittlerweile arbeitet Richard Heusler wieder, fährt Motorrad, genießt die Zeit mit Frau und Kind.

Es hat gedauert, bis er wieder um den Block gehen konnte, ohne außer Puste zu kommen.

„Wenn ich ein Mal vom Keller in den ersten Stock gegangen bin, hatte ich am nächsten Tag Muskelkater. Aber: Es ging wieder.“
resümiert Richard Heusler und blickt optimistisch in die Zukunft

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