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12 Minuten tot, um zu leben

Aus Bogenhausen: Spektakuläre OP eines 30 cm Tumors

12 Minuten tot, um zu leben!

Herzchirurgie, Gefäßchirurgie und Urologie kämpfen gemeinsam gegen einen seltenen, 30 cm großen Tumor - und für das Leben von Danielle S.

Fahrradfahren, Reisen, die Zeit mit den Enkeln genießen – Danielle S. sprüht mit Anfang 70 vor Leben. Doch nach einem Sturz wird ein monströser Tumor von der Niere bis ins Herz gefunden. Alles ändert sich. Bis auf ihre Lebenslust. Die kann ihr niemand nehmen - und sie entscheidet sich für die OP.

Ein lebensrettender Sturz

Wer ist nicht schon über die eigene Tasche gestolpert und hat sich geärgert? Danielle S. verdankt einem solchen Sturz ihr Leben. Denn was die aktive Rentnerin zu dieser Zeit nicht weiß: In ihr ist ein Tumor bereits von der Nierengegend durch den Bauchraum bis in die Brust und ins Herz hineingewachsen. Sie spüre davon nichts, hatte allenfalls ein wenig abgenommen.

„Ich bin nach dem Einkaufen über meine Tasche gestolpert und auf den Bauch gefallen. Zunächst habe ich nichts gemerkt, aber nachts plötzlich Schmerzen bekommen.“
Danielle S., Tumor-Patientin

Tags darauf geht sie zum Hausarzt. Nach auffälligem Ultraschall schickt er sie zur radiologischen Untersuchung. Dann geht alles ganz schnell: Mit Verdacht auf innere Blutungen wird sie in die München Klinik Bogenhausen eingeliefert.

Als die Ärzte die Diagnose-Bilder sehen, runzelten die Mediziner zunächst die Stirn. „So einen Tumor haben selbst erfahrene Experten nur extrem selten gesehen.“, berichtet PD Dr. Atiqullah Aziz, Chefarzt der Urologie.

Diagnose: 30 cm Tumor von der Niere bis ins Herz

Was die Ärzte vorfanden, war kein blutender Nierentumor nach Sturz, wie sie ihn erwartet hatten, sondern ein extrapleuraler solitärer fibröser Tumor (SFT) - ein äußerst seltener Tumor, der bislang weltweit nur rund 900 Mal beschrieben wurde. Kurz: Die Münchnerin litt an einem monströsen Tumor, der sich von der Nierengegend bis ins Herz zog.

Konkret lag der Krebsherd bei Danielle S. im hinteren Bauchfell in der Nähe der Nieren. Von dort aus wuchs ein etwa daumendicker Tumorzapfen entlang der unteren Hohlvene, der stärksten Vene des Körpers, bis in den rechten Vorhof des Herzens hinein: „Diese Vene wirkte für den Tumor wie eine Art Leitstruktur.“, berichtet Prof. Walter Eichinger, Chefarzt der Herzchirurgie in der München Klinik Bogenhausen. D.h. der Krebs nutzte die Vene, um im Körper voranzukommen. Dies gelang ihm ganze 30 Zentimeter weit - bis ins Herz.

„Bald wäre es vermutlich zu einem Blutstau im unteren Körperbereich gekommen, weil der Tumor den Rückstrom des Blutes zum Herzen immer mehr einschränkte.“
erläutert Herzchirurg Eichinger die Situation

Sie entscheidet sich fürs Leben

Ohne Operation droht Danielle S. eine tödliche Lungenembolie. Das Expertenteam aus der Herzchirurgie, Gefäßchirurgie und Urologie arbeitet eine komplexe OP-Strategie aus.

Drei Spezialisten-Teams sollen in etwa sieben Stunden den Tumor auf einer Gesamtlänge von etwa 30 Zentimetern aus dem Körper der Patientin schneiden, ohne lebensnotwendige Strukturen zu zerstören. Eine hochriskante OP.

„Als mir die Ärzte die Diagnose eröffneten, war ich geschockt, aber mir blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder hängst du noch am Leben und kämpft. Oder du gibst auf und gehst gleich. Ich habe mich fürs Leben entschieden.“
Danielle S., Patientin

Nach dem Schock lagen die Nerven zunächst blank. Es war nicht die erste Krebsdiagnose und sie fragte sich: "Wieso immer ich?!".

Doch sie denkt schnell wieder positiv; an ihr schönes Leben, an ihre Familie und Enkel. Mut und Lebensfreude strahlt sie aus - und willigt in die hochriskante Operation ein. Sie will sich dem Krebs nicht ohne Kampf ergeben und vertraut in die Mediziner der München Klinik.

Die OP auf einen Blick

12Minuten klinischer Tod
8 + XBeteiligte im OP
7Stunden OP-Dauer

Großes Team für große Kämpferin

An der OP sind acht Ärzte beteiligt. Unterstützt werden sie von Anästhesisten, einem Kardiotechniker, mehreren OP-Schwestern und weiteren Helfern. Die OP verläuft in zwei Schritten:

  1. Urologen: Drei Urologen entfernen den Tumorherd im hinteren Bauchfell. Dabei werden auch eine Niere und die Milz entfernt.
  2. Herz- und Gefäßchirurgen: Anschließend befreiten zwei Teams die Hohlvene von dem Tumorzapfen - die einen vom Bauchraum, die anderen vom Herzen aus.

Als Laie kann man sich die OP-Strategie vorstellen wie ein Tunnelbauvorhaben. Der Weg ist millimetergenaue Präzisionsarbeit.

„Man kann den Tumor nicht einfach rausschneiden. Man muss ihn sehr vorsichtig von der Innenwand der Vene ablösen.“
erklärt Konstantin Lechtmann, Oberarzt Gefäßchirurgie

Die Herzlungenmaschine stoppt.

Eine besondere Herausforderung ist die Arbeit am Herzen. Um hier operieren zu können, muss die Herzlungenmaschine ausgeschaltet werden. D.h. es wird ein Kreislaufstillstand herbeigeführt.

Die Patientin ist für 12 Minuten klinisch tot. Damit das Gehirn in dieser Zeit keinen Schaden nimmt, wird es perfundiert, d.h. es wird mithilfe kleiner Schläuche mit Blut versorgt. Zuvor wird die Körpertemperatur auf unter 20 Grad heruntergekühlt, um den Energieverbrauch des Gewebes zu reduzieren.

Die Patientin lebt.

Die hochriskante Operation glückt. Danielle S. hat es geschafft. Vorbei ist es dann aber leider noch nicht ganz.

Sie erwarten zehn Tage Intensivstation und ein langer Krankenhausaufenthalt. Die Wunde vom Bauch bis zum Brustkorb muss verheilen. Danach folgt eine Bestrahlungstherapie. Auch diese findet in der München Klinik Bogenhausen statt. Schließlich muss Danielle S. in die Reha, um die geschwächte Muskulatur wieder zu stärken.

Endlich zuhause!

Ein Eingriff ist ein Beweis dafür, was modernen Spitzenmedizin über die Disziplinen hinweg leisten kann. In seiner 25-jährigen Laufbahn als Herzchirurg hat Prof. Eichinger „vielleicht fünf vergleichbar komplexe Tumore operiert“. Er weiß um das hohe Risiko bei solchen Eingriffen.

Die Mediziner sind sich einig: „Wir möchten anderen Patientinnen und Patienten Mut machen.“ Mut machen, die Hoffnung nicht aufzugeben, auch wenn der Weg nicht immer leicht ist.

Und Danielle? Ganz zufrieden ist sie nach ihrer OP nicht, sagt sie. Der lange Krankenhausaufenthalt hat sie belastet. Wegen Corona konnte sie zunächst keinen Besuch empfangen und war einsam. Wieder zuhause ist sie nicht mehr so mobil wie früher. 

Und doch ist sie glücklich. Glücklich über ihre tolle Familie. Glücklich über die erfolgreiche Operation. Glücklich über ihren Sturz, mit dem alles begann.

Alle für eine: Das interdisziplinäre Team aus Bogenhausen

Unsere Geschichten für Sie: Viel Freude beim Lesen!