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Hoher Versorgungsanspruch - fehlendes Personal

Martina Grosch (M.A.) ist Gesundheitswissenschaftlerin und Erwachsenenpädagogin.

In den Pflegeberufen existiert ein Spannungsfeld zwischen einem erheblichen Fachkräftemangel und dem steigenden Anspruch an Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Patientenversorgung. Um den wachsenden Anforderungen gerecht werden zu können, ist eine noch bessere Qualifizierung von Pflegekräften erforderlich – auch auf akademischem Niveau. Doch werden schon seit Jahren zahlreiche Studiengänge angeboten, die Pflegekräfte vom Patienten „wegqualifizieren“ und damit dazu beitragen könnten, den bestehenden Fachkräftemangel eher zu verstärken.

„Akademisierung“ der Gesundheitsberufe

Der Wissenschaftsrat fordert seit Jahren eine bessere Ausbildungsqualität und höhere Qualifizierung der Gesundheitsfachberufe auch auf akademischem Niveau, um den wachsenden und immer komplexer werdenden Anforderungen im Gesundheitswesen auch in Zukunft gerecht werden zu können (1). Zahlreiche Hochschulen haben diese Akademisierungsbestrebungen in den letzten Jahren aufgegriffen und entsprechende Studiengänge entwickelt und implementiert. Das Angebot ist vielfältig. Doch besteht nicht nur ein qualitativer, sondern auch ein quantitativer Bedarf an Fachkräften, um auch in Zukunft eine ausreichende Gesundheitsversorgung unserer älter werdenden Gesellschaft zu gewährleisten.

Qualifizierung „Weg vom Patienten“?

Eine hochschulische Qualifizierung der Pflegefachberufe sollte deshalb auf keinen Fall zu einer Verstärkung des Fachkräftemangels führen. In den letzten Jahren hat bereits an vielen Hochschulen eine Fehlentwicklung stattgefunden. Es wurden Studiengänge entwickelt, die keine fachspezifische Qualifizierung ermöglichten, sondern den Bereichen Management, Pädagogik oder Forschung zuzuordnen sind. Diese Studiengänge qualifizieren Pflegekräfte also eher „weg vom Patienten“ und tragen nicht dazu bei, einem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken.

Viele Pflegekräfte haben sich bewusst für diese Studiengänge entschieden. Dies wird auch darin begründet sein, dass sich eine hochschulische Qualifizierung in Deutschland in den Pflegeberufen vielfach nicht in mehr beruflicher Autonomie und einer besseren Vergütung abbildet. Gleichzeitig haben die belastenden Arbeitsbedingungen sicherlich den Umstand verstärkt, dass sich Pflegekräfte bewusst für ein neues Tätigkeitsfeld entschieden haben.

Aber auch das fehlende Angebot an fachspezifischen Studiengängen war wie bereits beschrieben lange ein Problem. An einigen Hochschulen wurde das Studienangebot nachgebessert. Die Attraktivität dieser Studiengänge wird jedoch erst dann deutlich zunehmen, wenn fachspezifische Weiterbildungen auf das Hochschulstudium angerechnet werden und sich die Studienzeit dadurch verkürzen lässt. Eine Modularisierung von Weiterbildungen erleichtert dabei die Vergleichbarkeit im Rahmen eines Anrechnungsverfahrens erheblich.

Mit Weiterbildung einem Fachkräftemangel entgegenwirken

Die Fachkräftebindung spielt für Unternehmen in dieser Situation – neben der Neugewinnung von Personal – eine entscheidende Rolle. Viele Unternehmen haben erkannt, dass nicht nur die Rahmenbedingungen und die Vergütung, Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter haben. Die Förderung von Bildungsinteressen eines Mitarbeiters und die Unterstützung lebensbegleitender Lernprozesse kann Mitarbeiter langfristig an ein Unternehmen binden. Dies gelingt in der Regel jedoch nur, wenn sich für den Mitarbeiter nach der Weiterbildung neue Aufgabengebiete erschließen und sich die höhere Qualifizierung in einer besseren Vergütung abbildet.

Der Weiterbildung von Pflegekräften kommt somit in doppelter Hinsicht eine wichtige Funktion zu: die Qualität der Patientenversorgung wird verbessert und die Mitarbeiterzufriedenheit erhöht sich – was wiederum der Fachkräftebindung dient.

LITERATUR

(1) Wissenschaftsrat (2012): Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen. www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2411-12.pdf. Zugriff am 13.10.2017

AUTORIN

Martina Grosch (M.A.) ist Gesundheitswissenschaftlerin und Erwachsenenpädagogin. Sie lehrt seit vielen Jahren an verschiedenen Hochschulen und Berufsfachschulen im Gesundheitswesen. Als Medienpädagogin entwickelt sie an der Akademie des Städtischen Klinikums München GmbH neue digitale Lernformate in der Fort- und Weiterbildung.

Artikel, Interviews, Beiträge