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Pflege am Ende des Lebens

Von: Mandy Krause; Gesundheits- und Krankenpflegerin am Klinikum Garmisch-Partenkirchen

Sterben ist – so hart das auch klingen mag – ein natürlicher Vorgang, der schon in unserer Embryonalentwicklung beginnt. Es gibt Anzeichen, klinische Faktoren, die verbunden mit Erfahrung, oft eine sehr genaue Einschätzung der Situation ermöglichen. Doch selbst für erfahrene Ärzte und Pflegekräfte ist es schwierig, den Zeitpunkt mit Sicherheit zu erkennen, wann der Patient in die letzte Phase seines Lebens eingetreten ist.

Die S3-Leitlinie Palliativmedizin definiert, basierend auf einer internationalen Expertenempfehlung und der verfügbaren Evidenz, die Sterbephase als die letzten 3-7 Tage des Lebens, in denen die körperlichen und geistigen Kräfte durch eine Erkrankung zunehmend eingeschränkt sind (1).

Wir Pflegende haben alle, die einen mehr die anderen weniger, mit Sterben und Tod zu tun. Unter dem „Deckmantel“ der Routine und der Verpflichtung zur Einhaltung von Standards fällt es uns leichter, getroffene Maßnahmen fortzuführen und etwas zu tun, anstatt genauer hinzusehen, um zu erkennen, wann etwas nicht mehr um jeden Preis getan werden muss. Was richtig oder falsch, gut oder schlecht ist, dazu gibt es in der Palliativpflege keine Pauschalaussagen. Jeder Patient und jede Situation ist anders.

Die Bedürfnisse des Einzelnen müssen immer wieder erfragt oder wahrgenommen werden, um individuell die Entscheidung über eine Handlung oder deren Unterlassung zu fällen. Nutzen und Schaden der Handlung sollte immer gegeneinander aufgewogen werden (2). Aber was sind nun grundlegende Aspekte im Umgang bzw. der Pflege von Sterbenden?

Sehen

Im Umgang mit Sterbenden ist zu beachten, dass sich deren Sinnesempfindungen verändern. Zum Beispiel Farben, die wir als „normal“ empfinden oder gerade noch erkennen, können von Sterbenden als sehr kräftig empfunden werden. Daher sollte das Licht gedämpft und warm sein. Persönliche Dinge, z.B. Bilder, die dem Patienten wichtig sind und ihm gut tun, sollten in seinem Blickfeld stehen (3).

Hören

Auch Geräusche werden intensiver wahrgenommen. Damit wir bei Gefahr flüchten können, kann uns ein Geräusch sogar aus dem tiefen Schlaf holen. Es heißt oft: „Das Gehör stirbt zuletzt“. Es ist also wichtig, mit den Sterbenden zu reden, auch wenn sie nicht mehr ansprechbar sind. Im Umgang mit ihnen sollten plötzliche und laute Geräusche vermieden, werden um sie nicht zu erschrecken (3).

Fühlen

Aber nicht nur das „bloße“ Reden ist wichtig, sondern auch das Ankündigen von Berührungen und Bewegungen. Da der Sterbeprozess mit einer vermehrten Konzentration nach innen verknüpft ist, haben Sterbende meist eine intensive Berührungswahrnehmung. Wichtig ist es, auch nonverbale Signale des Patienten wahrzunehmen und darauf einzugehen. Es ist möglich, dass Berührungen, die vorher als angenehm empfunden wurden in der Endphase als belastend wahrgenommen werden (3). Was von Patienten oft als wohltuend angesehen wird und ein Gefühl von Geborgenheit assoziiert, ist eine Wärmezufuhr von außen, durch z.B. warme Socken. Sterbenden fehlt oft die Kraft, eigene Wärme zu produzieren. Sie bekommen leicht kalte Hände und Füße aufgrund mangelnder Durchblutung, nehmen dies allerdings oft nicht so wahr (3).

Schmerzen

Was sehr wohl von Sterbenden wahrgenommen wird, auch wenn sie nicht immer Begleiter des Sterbeprozesses sind, sind Schmerzen. Diese werden verbal geäußert oder können anhand von Mimik, Gestik oder Lautäußerungen angezeigt werden. Neben den medikamentösen Therapien können wir Pflegende durch die Erkenntnisse aus der basalen Stimulation das Erleben von Berührung bei Schmerzpatienten maßgeblich angenehmer und effektiver machen und so zu einer höheren Lebensqualität und besseren Schmerzreduktion beitragen. Auch die Anwendungen von Aromapflege, Entspannungstechniken und Ablenkungstechniken sind hilfreich (2).

Pflegen

Wenn es nötig ist, sollte man auch vor jeder pflegerischen Maßnahme ein Schmerzmittel verabreichen. Da es den Sterbenden sehr belasten kann, sollte die Durchführung der Pflege in der Sterbephase nicht länger als 30 Minuten dauern. Auch sollten diese an den Tagesrhythmus des Patienten angepasst sein. Es zeugt von Achtung vor dem Sterbenden, sich zu überlegen, welche pflegerischen Maßnahmen in dieser Phase indiziert sind und was „nur“ Routine ist. Die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten müssen beachtet werden, um für ihn eine möglichst hohe Lebensqualität zu erreichen, auch wenn dadurch z.B. ein Dekubitus entsteht (2).

Verdauung

Wie sieht es mit der Obstipation aus? Die Verdauung ist die erste Körperfunktion, die im Sterbeprozess versagt. Wenn der Patient beschwerdefrei ist, ist fehlender Stuhlgang von untergeordneter Bedeutung. Abführ- und Quellmittel sind nicht mehr angemessen, da deren Wirkung eine große Belastung für den Sterbenden darstellen kann. Sollte der Patient Beschwerden, wie einen gespannten und druckempfindlichen Bauch haben, kann ein behutsamer Einlauf Erleichterung verschaffen (3).

Atmung

In der Betreuung von Sterbenden nehmen wir in der Sterbephase eine veränderte Atmung wahr, z.B. vertiefte Atemzüge, Atemgeräusche, Atempausen. Diese sind nicht immer gleichzusetzen mit Atemnot. Da Atemnot auch immer im Zusammenhang mit Angst und Panik auftritt, hat sich eine medikamentöse Kombinationstherapie bewährt (4). Wir Pflegende neigen dazu, sofort Sauerstoff zu geben, was in diesen Fällen allerdings keine Wirkung gegen die Atemnot hat. Sauerstoff trocknet die Schleimhäute der Patienten zusätzlich aus, was wiederum belastend für sie sein kann (5). Atemerleichternde Lagerungen, atemstimulierende Einreibungen und Aromapflege sind wichtige Bestandteile im pflegerischen Therapieangebot bei terminaler Atemnot. Im Zusammenhang mit der Atmung ist die Rasselatmung, auch „Todesrasseln“, ein häufiges Symptom bei Menschen in der Sterbephase, welche Stunden bis Tage vor dem Tod auftritt. Durch die zunehmende Schwäche sind die Patienten nicht mehr in der Lage, das sich ansammelnde Bronchialsekret oder den Speichel wie gewohnt zu schlucken bzw. abzuhusten. Durch das Aneinanderschlagen der schlaffen Schlundmuskulatur durch den Luftstrom der Atmung und durch das Hin- und Herbewegen des Sekretes in der Trachea entwickeln sich die atemsynchronen Rasselgeräusche. Sie sind nicht zwingend mit Atemnot gleichzusetzen. Laut der Expertenmeinung in der S3-Leitlinie Palliativmedizin können bei Sterbenden mit belastender Rasselatmung geeignete Lagerungsmethoden zur Sekretmobilisation und -ablauf eingesetzt werden. Das tracheale Sekret sollte, bei Patienten ohne Tracheostoma oder Endobronchialtubus, nicht abgesaugt werden, da dies zu einer Stimulation der Sekretproduktion führt und zusätzlichen Stress für den Patienten bedeutet (1).

Ernährung

Auch die Ernährung kann in der Sterbephase eine zusätzliche Belastung für den Patienten darstellen, weil sich der Organismus auf allen Ebenen auf den Tod vorbereitet. Deshalb verlieren Patienten am Lebensende das Interesse am Essen und haben ein reduziertes Durstgefühl. Die Frage, ob man noch Flüssigkeit substituieren sollte, kommt immer wieder auf. Laut der Empfehlung in der S3- Leitlinie Palliativmedizin sollte, nach sorgfältiger Abwägung im Einzelfall, keine künstliche Ernährung und Flüssigkeit bei Sterbenden verabreicht werden (6). Eine Substitution kann Nebenwirkungen, wie periphere Ödeme, Lungenödem, Aszites und verstärkte Rasselatmung haben, welche die Lebensqualität des Sterbenden nicht verbessern sondern verschlechtern würde. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Wohlbefinden und der optimalen Symptomkontrolle beim Sterbenden (1)

Trockenen Mundschleimhaut (Xerostomie)

Als Folge von verringertem Durstgefühl und offener Mundatmung in der Sterbephase und Nebenwirkungen von Medikamenten hat die Mundtrockenheit unmittelbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Diese kann durch eine sehr sorgfältige, kontinuierliche Mund- und Lippenpflege gelindert werden. Hierbei haben sich gefrorene Fruchtstückchen oder Eiswürfel aus verschiedenen Getränken (Wunsch des Patienten) besonders bewährt (1).

Fazit:

Alle Standards und Leitbilder sind wichtig und sinnvoll, solange sie Raum für Individualität lassen. Sie können jedoch persönliche Zuwendung ebenso wenig wie das intuitive Erfassen der Situation ersetzen, was in keiner Richtlinie zu finden sein wird. Unsere oberste Priorität in der Betreuung Sterbender sollte die ausschließliche Orientierung an dem Patienten und seinen Bedürfnissen sein. Auch wenn es hier um den Sterbenden selbst geht, so sind die begleitenden Angehörigen nicht weniger wichtig. Wir Pflegende müssen uns genauso um sie bemühen, sie aufklären, informieren und anleiten damit sie verstehen was passiert und sie sich, gemeinsam mit uns, um den Sterbenden kümmern können.

(1) Bausewein, C.; et al. (2019). Leitlinienprogramm Onkologie-Palliativmedizin. www.leitlinienprogrammonkologie. de/leitlinien/palliativmedizin, Abgerufen am: 10.11.2019

(2) Kränzle, S.;Schmid ,U.; Seeger, C. (2014). Palliative Care-Handbuch für Pflege und Begleitung, 5.Auflage, Berlin Heidelberg: Springer

(3) Feichtner, A. (2018): Palliativpflege- Ein Lehrbuch für Pflege- und Gesundheitsberufe, 5.Auflage, Wien: Facultas

(4) Navigante, A. H. et al. (2006). Midazolam as adjunct therapy to morphine in the alleviation of severe dyspnea perception in patients with advanced cancer. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed /16442481, Abruf: 11.11.2019

(5) Uronis, H. et al. (2011). Symptomatic oxygen for non-hypoxaemic chronic obstructive pulmonary disease. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed /21678356, Abgerufen am: 11.11.2019

(6) Bruera, E. et al. (2013): Parenteral hydration in patients with advanced cancer: a multicenter, double-blind, placebo-contolled randomized trial. Journal of Clinical Oncology 31 (1),111-8

Autorin:

Mandy Krause; Gesundheits- und Krankenpflegerin am Klinikum Garmisch-Partenkirchen

Mail: Mandy.Krause.server-mail(at)klinikum-gap.de

Bildquelle: Photographee.eu @AdobeStock

Hinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines Unterrichtsprojekts in der onklologischen Weiterbildung der München Klinik Akademie. Initiierung und Projektleitung : Martina Grosch (Gesundheitswissenschaftlerin und Erwachsenenpädagogin M.A.) und Susan Kühne (Gesundheits- und Krankenpflegerin, Kursleitung Onkologische Pflege)

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