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Berufliche Weiterbildung in der Pflege in Zeiten der Akademisierung

Martina Grosch (M.A.) ist Gesundheitswissenschaftlerin und Erwachsenenpädagogin.

Der Akademisierungsprozess hat die Weiterbildungslandschaft in den Pflegeberufen in den letzten Jahren verändert und vielfältiger gemacht. Dies führt dazu, dass Bildungsbiografien von Pflegekräften immer individueller und oft auch komplexer werden. Gleichzeitig fällt eine Orientierung in dem umfangreichen Bildungsangebot nicht leicht. Bei der Entscheidung für eine berufliche Weiterbildung verschiedene Aspekte berücksichtigt werden.

Individuelle Bildungswege ermöglichen

Lernen und Weiterbildung gelten heute immer mehr als Bestandteile einer Individualisierung und persönlichen Entfaltung. Die eigene Biografie wird von vielen Menschen als „lebenslanges Lernprojekt“ konstruiert. Darüber hinaus kann Deutschland die Herausforderungen einer alternden Bevölkerung nur meistern, wenn die Talente und Fähigkeiten aller Bürger ausgeschöpft werden.

Erforderlich ist deshalb die Möglichkeit zur Bildungsbeteiligung über die gesamte Lebensspanne hinweg. Hierzu sollten in einer Gesellschaft individuelle Bildungswege möglich sein und alle Menschen gleiche Zugangschancen zu hochwertigen, lebenslangen Lernprozessen haben. Die Bildungsangebote müssen sich dabei in erster Linie an den Bedürfnissen und Wünschen des Einzelnen ausrichten, aber natürlich auch zu den Anforderungen in einem Unternehmen passen.

Der Übergang von der beruflichen in die akademische Bildung

Zahlreiche Angehörige der Pflegeberufen stehen durch die Akademisierungsprozesse der letzten Jahre vor der besonderen Aufgabe, den Übergang von der Berufstätigkeit in die hochschulische Bildung erfolgreich zu meistern. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn ein Bildungssystem durchlässig ist, was bedeutet, dass auch berufliche oder im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten für ein Studium anerkannt werden und der Zugang zur Hochschule so erleichtert wird (1).

Sogenannte Anrechnungsverfahren haben hierbei einen zentralen Stellenwert. Sie gewährleisten die Anerkennung gleichwertiger Kenntnisse und fördern die Durchlässigkeit in das Hochschulwesen (reziproke Durchlässigkeit). Es wird zwischen individuellen, pauschalen und kombinierten Anrechnungsverfahren unterschieden. Dies bedeutet, dass für Hochschulen die Möglichkeit besteht, entweder im Einzelfall zu überprüfen, in welchem Umfang die beruflich erworbenen Kompetenzen oder bereits absolvierte Weiterbildungen den Inhalten und dem Niveau des Studiums gleichwertig sind. Vereinfacht werden kann ein solches Anrechnungsverfahren, wenn im Rahmen einer Kooperation zwischen Hochschulen und Einrichtungen der beruflichen Bildung eine pauschale Prüfung und Anerkennung durchgeführt wird. Beide Verfahren können auch miteinander kombiniert werden. Generell gilt, dass die aufnehmende Hochschule über die Art des Anrechnungsverfahrens entscheidet (1).

Flexible Bildungswege setzen gelingende Bildungsübergänge voraus. Diese erweisen sich vielfach als kritische Lebensereignisse, die soziale Ungleichheiten verstärken oder sogar erst hervorrufen (2). Dabei spielen nicht nur individuelle Kompetenzen und Entwicklungspotenziale eine Rolle, sondern insbesondere auch die gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen. Speziell der Übergang in einen akademischen Bildungsweg aus einer Berufstätigkeit heraus gilt als besonders schwierig.  Hier sind alle Institutionen im Bildungswesen gefordert, die Übergänge zwischen der beruflichen und akademischen Bildung zu gestalten und zu unterstützen.

Die richtige Weiterbildung wählen!

Es lohnt sich – sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Mitarbeiter – bei der Auswahl einer fachspezifischen Weiterbildung zu prüfen, inwieweit diese Weiterbildung in modularisierter Form (siehe Glossar) angeboten wird und ob bereits eine Kooperation mit einer Hochschule besteht. Zusätzlich werden vom Bundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Deutschland zahlreiche Projekte unterstützt, die die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen fördern und den Einstieg in die hochschulische Qualifizierung erleichtern sollen.

Je nach individueller Lebenssituation und der eigenen Bildungsbiographie ist es vielleicht sinnvoll, zunächst eine fachspezifische Weiterbildung zu absolvieren und dann zu einem späteren Zeitpunkt eine hochschulische Qualifizierung anzustreben. Wichtig ist es, sich zunächst einen Überblick über die Bildungslandschaft zu verschaffen und dann eine Entscheidung zu treffen, die alle Wege für das eigene „lebenslange Lernprojekt“ offenhält.

Folgende Aspekte sollten bei der Auswahl einer Weiterbildung sowohl im beruflichen Weiterbildungssektor als auch in der hochschulischen Qualifizierung bedacht werden:

  • Entspricht die Weiterbildung den individuellen Wünschen und Möglichkeiten der Pflegekraft (gewünschte berufliche Ausrichtung, räumliche und zeitliche Flexibilität)
  • Passt die Weiterbildung in die persönliche Bildungsbiografie der Pflegekraft (Bildungshintergrund)?
  • Ist der Lernende bereit, selbstorganisiert zu lernen und ggf. auch die eigene Freizeit in die Weiterbildung zu investieren?
  • Qualifiziert die Weiterbildung die Pflegekraft für anstehende Aufgaben im Unternehmen?
  • Besteht bei einer „nicht-hochschulischen“ Weiterbildung die Möglichkeit, dass diese im Rahmen eines späteren Hochschulstudiums anerkannt wird?

GLOSSAR

Modularisierung

Weiterbildungen oder Studiengängen können in Module untergliedert werden. Diese Module sind in sich abgeschlossene Lerneinheiten (Qualifizierungsabschnitte), die einzeln geprüft, zertifiziert oder mit Leistungspunkten versehen werden können. Der Vorteil einer Modularisierung liegt darin, dass erfolgreich absolvierte Module auf eine andere Weiterbildung oder ein Hochschulstudium angerechnet werden können.

LITERATUR

(1) Hochschulrektorenkonferenz (2015): Projekt Nexus: Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung. www.hrk-nexus.de/themen/durchlaessigkeit. Zugriff am 18.10.2017.

(2) Eckert T (2007): Übergänge im Bildungswesen. Waxmann Verlag, Münster.

AUTORIN

Martina Grosch (M.A.) ist Gesundheitswissenschaftlerin und Erwachsenenpädagogin. Sie lehrt seit vielen Jahren an verschiedenen Hochschulen und Berufsfachschulen im Gesundheitswesen. Als Medienpädagogin entwickelt sie an der Akademie des Städtischen Klinikums München GmbH neue digitale Lernformate in der Fort- und Weiterbildung.

Artikel, Interviews, Beiträge