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Kinderheilkunde, Jugendmedizin am Kindercampus Schwabing

Rheuma-Erkrankungen. Differenzierte Diagnostik und Behandlung

Rheuma-Erkrankungen zeigen sich in den meisten Fällen an den Gelenken, können aber auch das Bindegewebe, also das Stütz- oder Gerüstgewebe in den Organen, oder die Blutgefäße betreffen. Rheumatische Entzündungen entstehen durch fehlgeleitete Überreaktionen des Abwehrsystems, daher sind unsere speziell ausgebildeten Kinder-Rheumatologen auch Experten für die Immunreaktionen des Körpers. Sie haben nach ihrer Facharzt-Ausbildung als Kinder- und Jugendarzt noch eine spezielle, 18 Monate dauernde Spezialausbildung absolviert und über Jahre Erfahrungen in diesem Fachgebiet gesammelt.

Speziell auf Kinder-Rheuma ausgerichtete differenzierte Diagnostik

Rheuma im Kindesalter verläuft nicht wie Rheuma bei Erwachsenen. Manche Erkrankungen kommen nur im Kindesalter vor, andere ziehen bei Kindern häufiger Komplikationen – wie etwa Wachstumsstörungen oder eine chronische Augenentzündung – nach sich und benötigen daher eine engmaschige Kontrolle.

Wir legen sehr viel Wert auf eine differenzierte genaue Diagnose, um die richtigen Therapie-Maßnahmen einleiten zu können. Daher nehmen wir uns auch viel Zeit für die Untersuchungen. 

Übliche Diagnoseverfahren

Neben einer ausführlichen Befragung (Anamnese) und der körperlichen Untersuchung nutzen wir als Puzzle-Steine für unsere Diagnosen

  • Labor-Untersuchungen, unter anderem Antikörper-Diagnostik
  • Ultraschall
  • Röntgen, eventuell auch Kernspintomographie
  • gute Anbindung an unsere Kinderorthopädie
  • augenärztliche Abklärung im Hause.

Gelenkrheuma (juvenile idiopathische Arthritis), die häufigste Rheuma-Erkrankung

Es gibt bei Kindern auch „harmlose“ Gelenkentzündungen wie zum Beispiel einen „Hüftschnupfen“, diese klingen nach ein bis zwei Wochen wieder ab, ohne bleibende Gelenkveränderungen zu hinterlassen.

10 bis 20 Prozent der Gelenkentzündungen entwickeln sich jedoch zu chronischen Gelenkentzündungen, die länger als sechs Wochen andauern und neben starken Schmerzen und Schwellungen auch Bewegungseinschränkungen und Fehlstellungen nach sich ziehen. Die Kinder hinken oder wollen sehr häufig getragen werden.

Aber auch Fieber, Hautauschläge oder Augenentzündungen können auf kindliches Rheuma hinweisen.

Die Kinderärzte bezeichnen die chronischen Gelenkentzündungen im Kindesalter als „juvenile idiopathische Arthritis“, die in verschiedenen Formen auftritt.

Oligoarthritis, Oligoarthritis und Augenentzündung (Uveitis)

Über die Hälfte aller Patienten mit Gelenkrheuma leidet an einer Oligoarthritis. Sie ist charakterisiert durch Entzündungen weniger Gelenke (zu Erkrankungsbeginn nicht selten nur des Kniegelenkes) und tritt bevorzugt im Kleinkindalter auf. Jeder fünfte Patient mit Oligoarthritis entwickelt eine Augenentzündung (Uveitis), die ebenfalls durch eine fehlgeleitete Reaktion des Abwehrsystems bedingt ist.

Um bleibende Schäden für die Augen zu vermeiden, sind regelmäßige Augenarztuntersuchungen notwendig – auch dann, wenn die Gelenkentzündung (zwischenzeitlich) abgeklungen ist.

Oligoarthritis tritt bevorzugt im Kleinkindalter auf

Systemische Arthritis

Die systemische Arthritisbeginnt mit sehr hohem Fieber und hohem Krankheitsgefühl, geht häufig mit blass-rötlichen Hauterscheinungen einher und lässt Entzündungen der Gelenke und inneren Organe erkennen.

Seronegative Polyarthritis

Die seronegative Polyarthritis beginnt oft im Vorschulalter mit Entzündungen von mehr als vier Gelenken. Typischerweise sind die kleinen Finger- und Zehengelenke neben z.B. den Hand- oder Sprunggelenken betroffen.

Psoriasisarthritis

Bei der Psoriasisarthritis kann vor oder auch erst Jahre nach der Gelenkentzündung eine Schuppenflechte (Psoriasis) auftreten oder es sind andere Familienmitglieder von Schuppenflechte betroffen. Bei dieser Arthritis-Form zeigen sich häufig einzelne Zehen oder Finger entzündet oder die Nägel sind auffällig verändert.

Seropositive Polyarthritis

Die seropositive Polyarthritis ist im Kindesalter sehr selten. Bei dieser Erkrankung ist im Blut der Rheumafaktor nachweisbar. Diese Form tritt meist bei jugendlichen Mädchen auf und ähnelt im Verlauf der rheumatoiden Arthritis im Erwachsenenalter.

Arthritis mit Enthesitisneigung

An einer Arthritis mit Enthesitisneigung (Enthesitis-assoziierte Arthritis) erkranken typischerweise Jungen im Schulalter. Sie zeigen neben Gelenkentzündungen an Knie- und Sprunggelenken Sehnenansatzentzündungen (Enthesitis) z.B. an der Ferse.

Kollagenosen - sehr seltene Formen von Rheuma-Erkrankungen des Bindegewebes

Rheumatische Erkrankungen des Bindegewebes, also des Stütz- und Gerüstgewebes der Organe, werden Kollagenosen genannt. Im Kindesalter treten vor allem drei Formen auf:

  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
    Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) spielen sich komplexe Entzündungsvorgänge in nahezu allen Körpergeweben ab. Je nachdem, welche Organe beteiligt sind, zeigen die Kinder und Jugendliche unterschiedlich schwere Symptome. In der Regel können Medikamente die Entzündungsprozesse soweit eindämmen, dass ein weitgehend normales Leben ermöglicht wird.
  • Juvenile Dermatomyositis
    Die juvenile Dermatomyositis ist durch eine Entzündung von Haut und Muskulatur gekennzeichnet. Sie ist sehr selten. Man schätzt, dass etwa drei von 1.000.000 Kindern pro Jahr neu erkranken. Mädchen sind doppelt so häufig betroffen wie Jungen. Zur Behandlung setzen wir Medikamente ein, die die fehlgeleiteten Reaktionen des Immunsystems unterdrücken.
  • Sklerodermie
    Die Sklerodermie, die zu einer Verhärtung des Bindegewebes führt, kann sehr unterschiedlich verlaufen: es gibt lokalisierte Formen, die nur eine Extremität betreffen, aber sehr selten auch systemische Formen mit Beteiligung der inneren Organe.

Bei Vaskulitiden der Entzündung möglichst bald Einhalt gebieten

Vaskulitiden (Gefäßentzündungen) sind geprägt durch entzündliche Prozesse in den Blutgefäßen, die deshalb auch alle Organe im Körper angreifen können. Diese Erkrankungen verlaufen meist chronisch, zeigen aber ganz unterschiedliche Symptome und sind oft nur schwer zu erkennen.

Eine häufige Form der Vaskulitiden im Kindesalter ist diePurpura Schönlein Henoch. „Purpura“ steht für kleine Hautblutungen, die vor allem an den Unterschenkeln oder am Po auftreten. Es kann zu einer Beteiligung von Gelenken mit schmerzhaften Schwellungen kommen, auch der Magen-Darm-Trakt kann betroffen sein. Gefürchtet ist auch eine Nierenbeteiligung, der Urin muss daher regelmäßig kontrolliert werden.

Die zweithäufigste Vaskulitis im Kleinkindalter ist das Kawasaki-Syndrom, das durch Fieber, Lymphknotenschwellungen, Augenentzündungen, Veränderungen der Schleimhäute (Lacklippen und Erdbeerzunge) und Hautausschläge auffällt.

Das Kawasaki-Syndrom betrifft die kleinen und mittleren Arterien, es kann gefährlich werden, wenn es zu einer Herzbeteiligung mit Erweiterung der Herzkranzgefäße (Aneurysmen) kommt. Daher führen wir bei dieser Erkrankung einen Ultraschall des Herzens durch und versuchen durch frühzeitige Therapie (Immunglobulin-Infusionen) die Entzündung einzudämmen.

Gelenkentzündungen, die durch Infekte ausgelöst werden, erkennen und gezielt behandeln

Nicht immer werden Gelenkschmerzen durch Rheuma verursacht. Oftmals besteht unsere Aufgabe zunächst darin, die Krankheiten auszuschließen, die ähnliche Symptome hervorrufen. Dazu gehören auch die so genannten reaktiven Arthritiden, die beispielsweise nach einem Zeckenbiss, verursacht durch eine Borrelien-Infektion, auftreten können.

Bei dem so genannten akuten rheumatischen Fieber geht eine Streptokokken-Infektion voraus. Oft recht chronische verlaufende Gelenkentzündungen können auch nach Durchfallerkrankungen auftreten. Diese und weitere durch Bakterien oder Viren verursachte Erkrankungen können rheumatischen Erkrankungen ähneln.

Sie gehören zu unserem Behandlungsspektrum, da die meisten Kinder mit diesen Symptomen zur Diagnostik in unsere Rheumatologie überwiesen werden.

Episodischen Fiebersyndromen mit Hilfe der Genetik auf die Spur kommen

Einige seltene Erkrankungen mit periodisch auftretenden Fieberschüben treten aufgrund einer genetischen Anlage auf. Die wiederkehrenden Fieberepisoden sind z.B. beim familiären Mittelmeerfieber begleitet von starken Bauch-, Brust- und Gelenkschmerzen.

Wie der Name bereits erahnen lässt, tritt das familiäre Mittelmeerfieber vor allem bei Menschen auf, die aus den Mittelmeer-Anrainerstaaten, vor allem der Türkei und den arabischen Ländern, stammen.

Aber auch in der deutschen Bevölkerung gibt es weitere genetisch bedingte Fiebersyndrome. Eine molekulargenetisches Untersuchung ermöglicht in vielen Fällen eine eindeutige Diagnose.

Zusammenarbeit mit anderen Kliniken zur Ursachensuche bei seltenen Erkrankungen

Um rheumatische Erkrankungen zielsicher diagnostizieren zu können, bedarf es eines umfassenden Wissens über die vielfältigen Prozesse des Immunsystems und möglicher Folgeerkrankungen bei Infekten.

Zur Sicherung unserer Diagnosen arbeiten wir eng zusammen mit unserem Spezialbereich der Immunologie und der Infektiologie.

Doch auch die Kinderorthopäden, unsere engagierten Kinder-Radiologen und Augenärzte sind hilfreiche Partner bei der Suche nach der optimalen Lösung für das einzelne Kind.

Gezielte medikamentöse Therapien, entsprechend aktueller Leitlinien

Bei den meisten rheumatischen Erkrankungen sind durch die medizinische Forschung hilfreiche Medikamente bekannt, für viele Erkrankungen wurden bereits sogenannte Therapie-Leitlinien erarbeitet.

Abhängig von Alter und Gewicht der kleinen Patienten verordnen wir die notwendigen Medikamente zur Linderung der Schmerzen und zur Entzündungshemmung.

Wenn die entzündungshemmenden Antirheumatika wie z.B. Ibuprofen nicht ausreichen, kommen Medikamente zum Einsatz, die direkt auf das Immunsystem wirken (immunmodulierende oder immunsuppressive Therapie).

Auch sogenannte Biologika (spezifische Antikörper) werden bei schweren Erkrankungen eingesetzt.

Die Gabe von Cortison (Steroiden) kann ebenso kurzfristig erforderlich sein, z.B. als Infusion oder auch lokal an Gelenken oder am Auge.

Intensive Physiotherapie und entlastende Hilfsmittel

Erforderlich ist aber zusätzlich eine intensive und gezielte physiotherapeutische und ergotherapeutische Therapie.

Bei der Krankengymnastik wird mit vorsichtigen Dehnungsübungen versucht, die Beweglichkeit der Gelenke wieder herzustellen, Fehlstellungen auszugleichen und die Muskulatur zu kräftigen. Das kann viele Wochen in Anspruch nehmen.

In der Anfangsphase sollen die erkrankten Kinder vorübergehend wenig belasten, möglichst nicht hüpfen oder Treppen steigen. Zum Entlasten werden auch spezielle Therapie-Roller oder kleine Holzpferdchen zur Verfügung gestellt.

Sinnvoll können auch Hilfsmittel wie Handschienen, Einlagen oder eine Sohlenerhöhung sein.

Behandlung in der Regel ambulant, in schwierigen Fällen auch stationär

In den allermeisten Fällen können wir während unserer Sprechstunde die Diagnose stellen und die nötige Therapien mit den Eltern besprechen und veranlassen.

Wir begleiten die Familien durch regelmäßige Kontrolltermine und arbeiten bei der Therapie sehr eng mit den niedergelassenen Kinderärzten und Orthopäden zusammen.

Bei weit fortgeschrittenen Stadien oder schwerwiegenden Erkrankungen empfehlen wir einen kurzzeitigen stationären Aufenthalt für eine eingehende Abklärung und um rasch wirksame Therapien beginnen zu können.

Austausch und Unterstützung zu Beihilfen und Rechten von Patienten

Die Familien erhalten auch die Möglichkeit, sich von unseren Sozialarbeitern beraten zu lassen und somit von ihren Rechten und ihnen zustehender Unterstützung zu erfahren.

Als hilfreich hat sich auch der Austausch untereinander in regionalen Selbsthilfegruppen unter dem Dach der Rheuma-Liga erwiesen.

Kinderrheumatologie - unsere Medizin, Mitarbeiter und Kontakte