Die München Klinik (MüK) Harlaching gilt seit Februar offiziell als Lebensmittelhersteller. Das ist die leicht kuriose, bürokratische Voraussetzung für den neuesten Zuwachs der dortigen Neonatologie (Früh- und Neugeborenenstation): eine eigene Frauenmilchbank. Diese versorgt die Frühgeborenen am Standort Harlaching und perspektivisch auch in der Schwabinger Schwesterklinik mit gespendeter Milch. Die optimale Ernährung von Anfang an hat viele gesundheitliche Vorteile und rundet die Frühgeborenversorgung der MüK mit Medizin, Pflege und technischer Ausstattung auf höchstem Niveau nun aus eigenem Haus ab.
München, 21. Februar 2024. Mamas Milch ist für Babys das Allerbeste. Das gilt auch und insbesondere für Frühgeborene, die vor der 32. Schwangerschaftswoche bzw. mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm auf die Welt kommen. Die optimale Nahrung kann ihre Zeit im Krankenhaus verkürzen und führt wissenschaftlich erwiesen zu einer besseren Lebensqualität auch im Erwachsenenalter. Doch für die Kleinsten ist die „eigene“ Muttermilch nicht immer sofort verfügbar – so können beispielsweise Erkrankungen, die ursächlich für eine Frühgeburt sein können, auch die Milchbildung verzögern. Die beste Alternative für Frühgeborene, bis die eigene Mutter Milch hat, ist dann Frauenmilch – also überschüssige Milch von Müttern, die nicht für die Ernährung des eigenen Kindes benötigt wird. Diese kann von Kliniken zugekauft werden – die präferierte Lösung ist jedoch eine hauseigene Milchbank. Auch Fertigmilch, sogenannte Formula-Nahrung auf Kuhmilchbasis, ist für Frühgeborene geeignet, gerade aber die kleinsten Frühgeborenen sollten Frauenmilch erhalten.
MüK eröffnet eigene Frauenmilchbank für die Frühchenversorgung
Eine solche eigene Frauenmilchbank hat die Neonatologie der München Klinik nun im Februar in Harlaching eröffnet. Sie versorgt in der Startphase bereits die Frühgeborenen in der Neonatologie in Harlaching und perspektivisch auch am Schwesterstandort Schwabing von Geburt an mit Frauenmilch. „Wir haben in den letzten Jahren medizinisch extrem viel erreicht, um auch kleinsten Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 750 Gramm einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Aber: Medizin kann keine Muttermilch „machen“. Eine klinikeigene Frauenmilchbank ist daher der Goldstandard in der Versorgung von Kindern, für die noch keine eigene Muttermilch verfügbar ist“, freut sich Prof. Marcus Krüger, Chefarzt derNeonatologie in der München Klinik Schwabing und Harlaching. Stationsleitung Sabrina Weigel ergänzt: „Das Ziel ist, alle unsere Frühgeborenen unmittelbar nach der Geburt optimal zu versorgen. Neben hochspezialisierter Medizin und Pflege nimmt hier die bestmögliche Ernährung einen immer größeren Stellenwert ein. Zu einer modernen Neonatologie gehört daher unbedingt eine Frauenmilchbank.“
Klinik geht unter die Lebensmittelhersteller
Stationsleitung Sabrina Weigel und Oberärztin Silke Brodkorb hatten das Projekt initiiert und gemeinsam mit dem Projektteam aus vielen Bereichen, u.a. Technik, Hygiene und Labor, umgesetzt. Sie ist stolz auf diesen neuen Versorgungsbaustein, für den in Deutschland einige bürokratische Hürden überwunden werden müssen. So hat die Klinik in einem über einjährigen Prozess u.a. eine offizielle Genehmigung als Lebensmittelhersteller erhalten, um die Frauenmilchspenden empfangen, verarbeiten, lagern und an die Frühgeborenen weitergeben zu dürfen. Die Frauenmilch erhält einen Barcode, auf dem Status und Haltbarkeit genau ersichtlich sind, und wird in einem eigens eingerichteten, separaten Raum unter höchsten Hygiene-, Sicherheits- und Qualitätsstandards gelagert. Mit ihrer eigenen Frauenmilchbank, erst die zweite ihrer Art im Raum München, trägt die MüK auch zum Aufbau eines Frauenmilchbank-Netzwerks in deutschen Neonatologien (Frauenmilchbank Initiative e.V.) bei. Bislang hatte die MüK Frauenmilch von Milchbanken aus ganz Deutschland bezogen, um die Ernährung ihrer Frühgeborenen mit Frauenmilch zu gewährleisten.
MüK-Mamas spenden ihre Milch an MüK-Babys
Bei der Geburt passt die Natur das Angebot der Mama an den Bedarf ihres Kindes haargenau an: In den ersten Tagen nach der Schwangerschaft schützt die dickflüssige Vormilch beispielsweise auch in kleinen Mengen vor Infektionen und ist reich an Nährstoffen, die reife Muttermilch versorgt das Kind wiederum bis zum sechsten Monat mit allem, was es braucht. Doch im Falle einer Frühgeburt können Faktoren wie Erkrankungen oder ein Intensivaufenthalt der Mutter die Milchbildung verzögern. Hier setzt das Konzept der Harlachinger Frauenmilchbank an und funktioniert im klinikinternen Kreislauf: Die Frauenmilch für die kleinen Frühgeborenen spenden Mütter von mittlerweile älteren Kindern, die ebenfalls in Harlaching als Frühchen zur Welt kamen und in der ersten Zeit gespendete Frauenmilch erhalten hatten. Wenn die Mütter der Frühgeborenen zu einem späteren Zeitpunkt ausreichend Muttermilch haben, können sie selbst zur Spenderin werden und anderen Familien dabei helfen, die Zeit nach der Geburt zu überbrücken. Das neonatologische Personal geht auf Mütter zu, die einen Vorrat an Muttermilch von mindestens 1 Liter für ihr eigenes Kind angelegt haben, und informiert über den Ablauf einer potentiellen Spende. Wenn sich die Mutter auf der Basis für eine Spende ihrer Milch entscheidet, wird sie vom neonatologischen Team umfassend unterstützt und bei Fragen beraten. Stationsleitung Sabrina Weigel betont: „Das eigene Kind hat immer Vorrang. Bei jeder Frauenmilchspende haben wir zunächst den Vorrat für das eigene Kind der Mama im Blick.“
Die Milchbildung der Mutter für ihr eigenes Frühgeborenes wird an beiden Standorten schon in der Geburtshilfe in den Frauenkliniken unter Leitung der Chefärzte Dr. Olaf Neumann (Schwabing) und Prof. Christoph Scholz (Harlaching) begonnen, indem zertifizierte Stillberaterinnen die Mutter beraten. Hier zeigt sich auch die enge und wichtige Verzahnung von Geburtshilfe und Neonatologie in den beiden Perinatalzentren.
Superfood für die Kleinsten: Frauenmilch hat viele Vorteile
Muttermilch ist ein wahres Wunder der Natur, deren vielfältige Inhaltsstoffe bis heute nicht gänzlich entschlüsselt sind. Deshalb kann sie auch nicht künstlich in Gänze nachempfunden werden. Zahlreiche Studien haben bestätigt, dass vor allem die frühe Ernährung von Frühgeborenen mit Mutter- bzw. Frauenmilch zu einem besseren Wachstum und einer besseren Entwicklung führt, als kuhmilchbasierte Formula-Nahrung. Die optimale Ernährung, das heißt laut WHO Muttermilch als erste Wahl und Frauenmilch von überwachten Spenderinnen als zweite Wahl, senkt bei Frühgeborenen nachweislich das Risiko schwerer Infektionen, verbessert die kognitiven Fähigkeiten im Erwachsenenalter, senkt das Allergierisiko und erhöht die Lebensqualität. Auch stationäre intensivmedizinische und chirurgische Behandlungen kann die richtige Ernährung verkürzen. Von den Fachgesellschaften wird daher übereinstimmend die Ernährung mit gespendeter Frauenmilch empfohlen, sofern keine eigene Muttermilch vorhanden ist.
Versorgung von Früh- und Risikogeborenen auf höchster Stufe
Insgesamt 90 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1.500 Gramm wurden im Jahr 2023 in der Klinik für Neonatologie (Früh- und Neugeborenenmedizin) der MüK mit den Standorten Harlaching und Schwabing versorgt. Die MüK versorgt an beiden Standorten Früh- und Risikogeborene auf der höchsten Versorgungsstufe (Perinatalzentrum Level 1). Nach der neuen Qualitätsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) müssen ab 2024 je Standort mindestens 25 Kinder mit Geburtsgewicht unter 1250 Gramm versorgt werden, um diese höchste Versorgungsstufe zu erhalten und Frühgeborene mit niedrigem Geburtsgewicht versorgen zu dürfen. Die MüK lag in den vergangenen Jahren stabil über dieser Grenze. Die München Klinik Schwabing ist als einzige Klinik in München als babyfreundliche Geburtsklinik zertifiziert, ebenso wie das Perinatalzentrum Harlaching als einziges nach „Perizert“ zertifiziert ist.
Die München Klinik ist mit Kliniken in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und Europas größter Hautklinik in der Thalkirchner Straße Deutschlands zweitgrößte kommunale Klinik und der größte und wichtigste Gesundheitsversorger der Landeshauptstadt München. Die München Klinik bietet als starker Klinikverbund Diagnostik und Therapie für alle Erkrankungen in München und im Umland und genießt deutschlandweit einen ausgezeichneten Ruf – mit innovativer und hoch spezialisierter Medizin und Pflege und gleichzeitig als erster Ansprechpartner für die medizinische Grundversorgung. Rund 110 000 Menschen lassen sich hier im Schnitt pro Jahr stationär und teilstationär behandeln. Mit jährlich über 6000 Geburten kommen hier deutschlandweit die meisten Babys zur Welt. Auch in der Notfallmedizin ist die München Klinik die Nummer 1 der Stadt: Über 130 000 Menschen werden jedes Jahr in den vier Notfallzentren aufgenommen – das entspricht rund einem Drittel aller Notfälle der Landeshauptstadt. Die Kliniken sind entweder Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität oder der Technischen Universität München. Die hauseigene Pflege-Akademie ist mit rund 500 Ausbildungsplätzen die größte Bildungseinrichtung im Pflegebereich in Bayern. Als gemeinnütziger Verbund finden in der München Klinik Daseinsvorsorge und herausragende Medizin zusammen und stellen das Gemeinwohl in den Vordergrund: Über die medizinisch-pflegerische Versorgung hinaus gibt es großen Bedarf, der vom Gesundheitssystem nicht refinanziert wird – wie etwa das Spielzimmer für Geschwisterkinder. Und auch die Mitarbeitenden aus Medizin und Pflege, die sich mit ihrer täglichen Arbeit für die Gesundheitsversorgung Münchens einsetzen, können von Zuwendungen in Form von Spenden profitieren – beispielsweise durch die Finanzierung von zusätzlicher Ausstattung, Erholungsmöglichkeiten und Fortbildungen. Dafür zählt jeder Euro.