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Geboren auf der Covid-Intensivstation

Aus Harlaching: Zwischen Beatmung und Bonding

Geboren auf der Covid-Intensivstation

Schwangere haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf – und damit eine viel zu frühe Geburt. Eine Patientin erzählt ihre Geschichte.

Eine Schwangere erkrankt schwer an Covid-19. Weil sie in Bauchlage beatmet werden muss, wird ihr Baby viel zu früh per Kaiserschnitt geholt. Zwischen Covid- und Frühchen-Station beginnt der Kampf ums Leben, während zu Hause die älteren Kinder bangen. Diese Situation müssen wir in unseren Geburtskliniken leider immer wieder erleben. So auch bei unserer Patientin Imenta Theodoridou.

„Ich hatte schreckliche Angst um mein Baby!”

Imenta Theodoridou, 36

 

Als Imenta Theodoridou nach acht Tagen aus dem Koma erwachte, ist ihr erster Gedanke: Wo ist mein Kind? Geht es ihr gut? Die 36-Jährige war in der 28. Schwangerschaftswoche mit einer schweren Covid-Infektion auf die Intensivstation der München Klinik Harlaching gekommen. Die Symptome hatten nur einen Tag zuvor eingesetzt. Nach zwei Tagen waren ihre Werte so schlecht, dass sie beatmet werden musste. Da war ihr Kind noch in ihrem Bauch. „Unser Ziel ist es, die Schwangerschaft so lange wie möglich zu erhalten.”, sagt Prof. Marcus Krüger, Chefarzt der Neonatologie. Doch die Sauerstoffversorgung wurde zunehmend schlechter. Das Team musste entscheiden: „Es gab keine Alternative mehr zum Kaiserschnitt.”, erinnert sich Prof. Christoph Scholz, Chefarzt der Frauenklinik. 

Damit die Mutter in Bauchlage beatmet werden konnte, wurde die kleine Dimitra am 21. September schließlich geholt. Ihr errechneter Geburtstermin: 9. Dezember.

Zwischen Covid- und Frühchen-Station

Die kleine Dimitra kommt auf der Covid-Intensivstation zur Welt - fast drei Monate zu früh, 1,1 Kilogramm leicht und zusätzlich geschwächt durch die schlechte Sauerstoffversorgung und die Medikamente, die die Mutter erhalten hatte. Selbst ist sie Covid-negativ. Denn was viele nicht wissen: Nur ein bis drei Prozent der Babys stecken sich mit dem Virus im Mutterleib an. Allerdings zerstörte das Virus die Plazenta und führt so zu einer Unterversorgung.

Während die Mutter auf der Covid-Intensivstation beatmet wird, erholt sich das kleine Mädchen auf der Frühchenstation schnell, wird wohl keine Schäden davontragen. Nicht selbstverständlich für ein Frühchen in der 29. Woche.

Das Team der Neonatologie gibt alles: Zusätzlich zur regulären Frühchenversorgung führen sie Tagebuch und machen Fotos - damit die Eltern später die Entwicklung nachvollziehen können. Sie sorgen für Körperkontakt und erklären dem Kind, dass es der Mutter immer besser geht. Das ist alles nicht einfach eine nette Geste, sondern evidenzbasierte Pflege mit Weitsicht.

„Babys verstehen vielleicht nicht die Worte, aber Emotionen. Das sehen wir an den Vitalwerten.“
Andrea Killiches, Pflegerische Stationsleitung der Früchchenintensivstation

„Mein Kind war 12 Tage ohne Eltern. Das zu wissen, trifft mich sehr!”

Imenta Theodoridou, 36

Das Coronavirus kommt über eines der älteren Kinder aus der Schule in die Familie. Nacheinander infizieren sich alle. Die Eltern trifft es stark. Beide müssen ins Krankenhaus.

Imenta Theodoridou wird insgesamt acht Tage beatmet. Ihr Leben steht auf der Kippe. Doch sie kommt durch und kann rund eine Woche nach Intubation auf die Covid-Normalstation verlegt werden. Ihre Gedanken kreisen nur um ihr Kind, zu dem sie noch immer nicht darf. Das Covid-Tablet wird zur wertvollen Verbindung zwischen Covid- und Frühchenstation.

Normalerweise wird ein Baby nach dem Kaiserschnitt am gleichen Tag zur Mutter gebracht, auf die Brust gelegt. Dimitra muss 12 Tage auf ihre Mama warten. Erst dann ist der Coronatest negativ und sie darf endlich zu ihr.

„Ich war überwältigt, als ich mein Kind endlich sehen durfte. Ich bin in Tränen ausgebrochen.“
Imenta Theodoridou

Rund 40 Experten im Einsatz

Um die an Covid-19 erkrankte Mutter und ihr Kind zu versorgen, arbeiten mehrere Dutzend Ärzte und Pflegende aus den verschiedensten Disziplinen wie Perinatologie, Neonatologie und Intensivmedizin eng zusammen. Jeden Morgen treffen sich Prof. Scholz und Prof. Krüger als ärztliches Leitungsteam des zertifizierten Perinatalzentrums und besprechen aktuelle Fälle. Sie prüfen engmaschig, wie es um die Schwangerschaften der Covid-Erkrankten, aber auch der anderen Risikoschwangeren z.B. mit Mehrlingsgeburten steht. So können sie ohne Hektik die beste Therapie beschließen.

Doch der Anspruch an ihre Arbeit wächst mit Verlauf der Pandemie. Während es in der ersten Welle möglich war, Schwangerschaften trotz Covid-Infektion noch etwas länger zu erhalten, macht die aggressivere Delta-Variante einen großen Unterschied. Das Virus kommt zwar in der Regel nicht zum Kind, greift aber umso mehr die Schwangere an. Schwangere gehören zur Risikogruppe für schwere Covid-19-Verläufe. Ihr Risiko für eine Intensivbehandlung ist um ein 2- bis 5-Faches erhöht. Zudem greift das Virus die Plazenta an. Insbesondere das HELLP-Syndrom tritt vermehrt auf.

 

Ein vermeidbares Risiko: Schwanger auf die Intensivstation

Soll ich mich als junge Frau oder Schwangere gegen Covid-19 impfen lassen? Diese Frage stellte sich Imenta Theodoridou nicht. Sie ist ungeimpft. Die Empfehlung zur Impfung für Schwangere kam erst eine Woche bevor Imenta auf die Intensivstation eingeliefert wurde.

Und sie gibt zu: Corona war für sie und ihre Familie ein Phänomen im Fernsehen – weit weg.

„Schwangere Frauen, die an Covid-19 erkranken, haben ein höheres Risiko, schwer zu erkranken. Sie werden häufiger im Krankenhaus aufgenommen und behandelt als nicht schwangere Frauen derselben Altersgruppe.“
Prof. Christoph Scholz

Heute ist die Covid-Impfung für Schwangere empfohlen und sehr gut erprobt. Doch Prof. Scholz weiß: „Es ist nicht gelungen, das Vertrauen der werdenden Mütter zu gewinnen und vom großen Nutzen der Impfung zu überzeugen.“ 

Dabei wäre das so wichtig. Denn das Virus kommt zwar in der Regel nicht zum Kind, aber für die Schwangere ist das Risiko für eine Intensivbehandlung 2- bis 5-fach erhöht.

„Ich bin ein Risiko eingegangen, das ich nie wieder eingehen würde!”

Imenta Theodoridous

Die kleine Dimitra konnte nach acht Wochen mit ihrer Mama nach Hause. Anders ausgedrückt: drei Wochen vor errechnetem Geburtstermin. Da hatte sie bereits ihr Geburtsgewicht verdoppelt.

Heute ist die Familie wieder vereint. Ein großes Glück, das alle jetzt noch mehr zu schätzen wissen. Denn während beide Eltern im Krankenhaus waren, musste die älteste Tochter, 14, daheim mit ihren drei jüngeren Geschwistern die Stellung halten. Der Vater lies sich früher entlassen, wählte ohne seine Frau einen Namen für das jüngste Familienmitglied. Den Tag, an dem die Mutter heimkam, konnten sie alle kaum erwarten.

„Beide Eltern im Krankenhaus - die Kinder zu Hause. Viele bedenken nicht die enorme soziale Sprengkraft der Corona-Pandemie. Es wird auseinandergerissen, was eigentlich zusammen gehört.“
schließt Prof. Scholz ab

Weitere Informationen zu Covid-19 und Schwangerschaft

Alle für eine: Das interdisziplinäre Team aus Harlaching

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